Steinau Newspaper Articles 1900-1919
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Steinau 1906
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Letters from Posen
Source: Evangelisches Gemeindeblatt für Galizien und die Bukowina, May 1906, p. 9.
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Briefe aus Posen.
Briefe, die von ehemaligen Bewohnern unserer deutschen Kolonie von Posen aus hierher gelangten, enthalten doch recht sonderbare Dinge. Am ärgerlichsten ist es für die ehemaligen Galizianer, dass die Leute, mit denen sie in ihrer neuen Heimat Posen zusammenleben müssen, den Feiertag so gar nicht heiligen. Man will ja gewiss nicht viel verlangen. Aber wenn nach guter galizischer evangelischer Sitte Sonntags zum Gottesdienst geht drüben in Posen, so muss man von Leuten, die Evangelische genannt werden, die ärgsten Spottreden anhören. Ja, es kommt vor, dass der Pfarrer dort fast allein mit ehemaligen Galizianern zusammen des Sonntags in der Kirche ist.
Jedenfalls nimmt es sich sonderbar aus, wenn angesichts solcher Tatsachen unsere galizischen Auswanderer drüben immer als eine Art minderwertige Kolonisten behandelt werden, und man sie gern als degeneriert bezeichnet.
Steinau 1906
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Sales hall
Source: Evangelisches Gemeindeblatt für Galizien und die Bukowina, Jul 1906, p. 10.
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Verkaufshalle.
Einen wichtigen Fortschritt hat unsere Gemeinde zu verzeichnen durch die Gründung einer christlichen Verkaufshalle. Fast alle evangelischen Grundwirte in Steinau sind Mitglieder unserer Verkaufshalle. Es ist darin alles zu haben, was man fürs Haus und für den landwirtschaftlichen Bedarf braucht. Von Woche zu Woche nimmt der Verkehr in der christlichen Verkaufshalle zu. Denn alle Evangelischen sehen es als Ehrensache an, ihren Bedarf an Waren nur da zu decken. Immer mehr lernen die evangelischen Glaubensbrüder einsehen, dass sie sich früher ganz ungehörig haben übers Ohr hauen lassen. Wir hoffen, dass die Evangelischen diesem gemeinsamen Unternehmen die goldene Treue bewahren werden. Nur dann kann auf die fröhliche Saatzeit eine befriedigende Ernte folgen. Vielleicht liegt in unserem Unternehmen auch ein Mittel, das evangelischen Gemeinden helfen kann, denen die Folgen der Auswanderungssucht zu schaffen machen. Wo unser Beispiel in anderen evangelischen Gemeinden Nacheiferungen erwecken sollte, da erteilen wir gern Auskunft, wie man es anfangen muss.
Steinau 1908
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History and statistics
Source: Deutsches Volksblatt für Galizien, 14.02.1908, p. 8.
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Statistisches.
Die deutsch-evangelische Kolonistengemeinde Steinau, welche von dem benachbarten Ort Kamien den Namen hat, wurde im Jahre 1784 gegründet; laut Hofdekret vom 4. Mai 1874 wurde sie dem Ranischauer Pastorat eingepfarrt. Die Ansiedler stammen größtenteils aus der Rhein- und Maingegend. Zur Zeit der Gründung waren 65 Nummern. In dem Ort ist eine einklassige evangelische Privatvolksschule mit deutscher Unterrichtssprache, welcher laut Ministerialerlass vom 15. November 1888, Zl. 19.160 das Öffentlichkeitsrecht verliehen wurde. Die Schule wird gegenwärtig von 24 nur deutschen evangelischen Kindern besucht, die polnischen Kinder des Ortes besuchen die öffentliche Schule in Kamien. An der hiesigen Schule wirkten bisher folgende Lehrer: Schulz, Bleich, Feg, Hülsenbächer, Schneider, Georg Gölner, Kraushaar, Wilhelm Gölner, Hermann, Friedrich Schneikart, Husak, Winter, Turek, Kutschera, Karl Müller, Paul Sikora, Jakob Müller und gegenwärtig Philipp Bechtloff. Die Predigten in der evangelischen Kirche der Gemeinde werden nur in deutscher Sprache abgehalten. Die Gemeinde zählt gegenwärtig über 500 Einwohner; davon sind nur noch 113 Deutsche und der Rest Polen. Durch die Auswanderung nach Posen und Amerika hat Steinau sehr stark gelitten. Wir hoffen aber, dass sich diese deutsche Gemeinde wieder von dem ihr durch gewissenlose Auswanderungsagenten zugefügten Schaden erholt; denn wo noch hundert Deutsche sind, dort ist noch kein verlorenes Land. Aus Steinau stammen der in Iglau (Mähren) ansässige Uhrmacher und Optiker Friedrich Rothaug, der Oberoffizial der Kaiser-Ferdinands-Nordbahn, Herr Jakob Rothaug in Brünn und der Bürgerschullehrer Herr G. Rothaug in Wien.
[Philipp Bechtloff]
Steinau 1911
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Founding of a Luther association
Source: Evangelisches Gemeindeblatt für Galizien und die Bukowina, Dec 1911, p. 13-14.
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Lutherverein.
Am Sonntag, den 19. November fand in der hiesigen evangelischen Schule die gründende Versammlung der Ortsgruppe Steinau des “Luthervereines zur Erhaltung der deutschen evangelischen Schulen in Österreich” statt. Zu dieser Versammlung waren sämtliche Steinauer Glaubensbrüder erschienen.
Herr Lehrer Gustav Daun besprach eingehend den Zweck des “Luthervereines” und dessen große Bedeutung für unsere deutsch-evangelischen Schulen. In kernigen Worten verstand er es nachzuweisen, wie notwendig es sei, diesem Verein beizutreten. Nach Verlesung der von der hohen k. k. Statthalterei bereits genehmigten Satzungen wurde einstimmig die Gründung der Ortsgruppe beschlossen, welcher dann auch alle anwesenden Glaubensbrüder beitraten. Die Wahl des Vorstandes hatte folgendes Ergebnis. Zum Obmann wurde Herr Philipp Herold, zum Schriftführer Herr Lehrer Gustav Daun und zum Schatzmeister Herr Philipp Preißler gewählt.
Möge die jüngste Luthervereins-Ortsgruppe Steinau wachsen, blühen und gedeihen zum Heil und Segen unseres deutsch-evangelischen Volkes!
Steinau 1912
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Founding of a Luther association
Source: Evangelische Kirchen-Zeitung für Österreich, 01.01.1912, p. 12.
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Lutherverein.
Am 19. November fand in der evangelischen Schule zu Steinau die gründende Versammlung der Luthervereinsortsgruppe statt. Zu dieser Versammlung waren sämtliche Steinauer Glaubensbrüder erschienen. Lehrer Gustav Daun sprach eingehend über den Zweck des Luthervereins und dessen große Bedeutung für das deutsch-evangelische Schulwesen in Österreich. Nach Verlesung der bereits genehmigten Satzungen wurde einstimmig die Gründung der Ortsgruppe beschlossen, welcher alle anwesenden Glaubensgenossen beitraten. Zum Obmann wurde Herr Philipp Herold, zum Schriftführer Lehrer Daun und zum Schatzmeister Herr Philipp Preißler gewählt.
Steinau 1915
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War damages
Source: Evangelisches Gemeindeblatt für Galizien und die Bukowina, 01.06.1915, p. 13.
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Wie uns Herr Obertierarzt Josef Schmidt vom Feldkanonen-Regiment Nr. 42, Feldpost 64, berichtet, war er am 21. diesen Monats in Steinau und fand, dass der Ort von den Russen stark ausgeraubt worden war. Pferde, Rinder, Hafer, Heu usw. waren weggenommen worden, Stiefel gestohlen usw. Die Schule ist ziemlich verwüstet, die Schul- und Küchenöfen zerschlagen, die Möbel des Lehrers zertrümmert und alle Schriften wurden vernichtet. Im übrigen steht der Ort unversehrt da.
Steinau 1915
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Fire disaster
Source: Evangelisches Gemeindeblatt für Galizien und die Bukowina, 01.07.1915, p. 18.
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Von befreundeter Seite erhalten wir folgende Feldpostkarte: “Im Felde, am 14. Juni 1915. …gestern, am 13. Juni 1915, wurde Steinau samt Kirche und Schule ein Raub der Flammen. Das Unglück soll durch Unvorsichtigkeit einquartierten Militärs entstanden sein.
Den Leuten ist einfach alles verbrannt, außer dem Vieh, das gerettet werden konnte. Heute war ich dort und sprach mit Herrn Heinrich Rothaug – die Leute standen vor der abgebrannten Kirche und konnten vor Weinen kaum sprechen. Von den 13 in Steinau gebliebenen deutschen Sippen sind 11 durch das Unglück schwer betroffen. Außer der evangelischen Kirche und Schule sind im ganzen 40 Wirtschaften abgebrannt. Hilfe wäre hier dringend not!…”
Steinau 1915
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Plans for rebuilding community structures after devastating fire
Source: Evangelisches Gemeindeblatt für Galizien und die Bukowina, 01.10.1915, p. 14.
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Am Samstag den 18. September erfreute uns unser Administrator Herr Pfarrer Czerwenzel aus Jaroslau mit seinem ersten Besuch. Im Haus des Gemeindegliedes Philipp Schneikart hielt er einen Gottesdienst ab. Es folgte eine eingehende Beratung des Presbyteriums, was mit dem abgebrannten Schulhause und dem ebenfalls abgebrannten Gotteshaus zu geschehen habe. Es sind verschiedene Pläne erwogen worden. Einer von ihnen ist, mit Rücksicht auf die durch Auswanderung sehr geschwächte Gemeinde, einen Teil der stehen gebliebenen Kirchenmauern und den ausgebrannten Turm abzutragen und den Rest zu einem Schulhaus, das zugleich als gottesdienstliche Stätte dienen soll, auszubauen. Natürlich könnte mit den Bauarbeiten erst im Frühjahr begonnen werden. Von den abgebrannten Evangelischen hat bisher nur einer eine notdürftige Hütte aufgebaut, die anderen warteten bisher vergeblich auf staatliche Bauunterstützung. Es ist Hoffnung vorhanden, dass ihnen diese wenigstens in Form von Darlehen zuteil wird. Die beiden von der Feuersbrunst verschont gebliebenen evangelischen Häuser beherbergen fünf Familien und eine Witwe. Die übrigen evangelischen Abbrändler sind notdürftig in polnisch-katholischen Häusern untergebracht.
Steinau 1915
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Travel report from pastor Czerwenzel about the extent of destruction in the community
Source: Evangelisches Gemeindeblatt für Galizien und die Bukowina, 01.11.1915, p. 11-12.
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Nach fast vierstündiger Eisenbahnfahrt ist endlich die Eisenbahnstation Letownia auf der Linie Przeworsk Nisko erreicht. Die letzte halbe Stunde war hochinteressant. Aus den Fenstern meines Abteils waren so prachtvolle Unterstände zu sehen, wie ich sie bisher nur auf Bildern geschaut. Wie kunstvoll waren sie eingedeckt, wie entzückend waren die aus Rundholz sinnreich erbauten Hütten! Allmählich lernt man auch die Poesie der Schützengrabenanlagen verstehen.
Welch ein grauenvolles Bild bietet der Bahnhof! Die ganz ausgebrannten Ruinen ragen gespensterhaft in die verregnete Welt. Gleich hinter dem Bahnhof beginnt der Fichtenwald. Dort steht mein Fuhrwerk im Regen. Der nasse Strohsitz wird umgedreht, Herr Presbyter H. knallt mit der Peitsche so kräftig, dass der Regen sich einschüchtern lässt und sich in die Schützengräben verzieht. Bald zeigt sich sogar ein Stück blauen Himmels.
Der Wagen rollt durch ein ganz zusammengeschossenes Dorf. Nur die Kamine sind als stumme Zeugen vergangener Herrlichkeit stehengeblieben. Manche haben sich unter der Last des Leides, das sie sehen mussten, ganz gebeugt.
Bald sind wir wieder an prächtigen Unterständen. Man glaubts ohne Weiteres, dass hier kunstsinnige Leute gestanden – Edelweißkorps des Erzherzogs Josef Ferdinand – und dass der Stellungskampf hier lange gedauert und den Soldaten Zeit ließ, alles so hübsch zu machen.
Straße in Steinau
Wir fahren eine lange Straße, die zu beiden Seiten von Birken bestanden ist. Auch diese Bäume wissen viel vom Kriege zu erzählen. Durch ihre Kronen ist so manches Geschoss geflogen, ihre Rinde ist zum großen Teil zu Feldpostkarten verarbeitet worden…
Quer über eine Hutweide… Wie gut, dass man nicht zu Fuß zu waten braucht. Am Horizont erscheint Steinau. Ich suche mich innerlich ganz stark zu machen, um der Not, die es dort zu sehen geben wird, tapfer gegenüber zu treten. Wir biegen auf die sandige langgestreckte Straße ab. In der Ferne sieht man zu beiden. Seiten die Kamine der abgebrannten Häuser von Steinau. Vor den Ruinen der Kirche bleiben wir stehen. Welch ein erschütterndes Bild! Das war einst eine der schönsten Kirchen unseres Landes. Und heute? Das Dach ist ganz weggebrannt, die Mauern sind zum größten Teil erhalten geblieben, aber ganz rauchgeschwärzt, der Turm ist ganz ausgebrannt, am Kircheingang liegen die Reste des Glockenstuhles. Von der Glocke selbst ist nichts zu sehen. Bruderliebe hat viel Bausteine zu dieser Kirche hinzugetragen. Und nun ist die Kriegsfackel durch ihre Halle getragen worden. Alles was in der Kirche verborgen war, ist mitverbrannt…
Evangelische Schule Steinau
Schräg gegenüber stehen die traurigen Überreste der Schule. Das herabgestürzte Blechdach hat wie ein Totentuch einen Teil des Niedergebrannten zugedeckt. Zwei Kamine ragen in der Luft empor. Wie viele Kinder haben an dieser Stätte zur Zeit, da Steinau durch Auswanderung noch nicht so geschwächt war, guten Unterricht empfangen. Vor dem Kriege waltete hier ein besonders tüchtiger Schulmann seines Amtes. Vor kurzem war er auf Urlaub in Steinau. Dem Soldaten standen die Tränen in den Augen, als er dieses Bild sehen musste.
Bald sitzen wir in einer großen Stube. Der Kurator und andere Männer erzählen. Nur 2 evangelische Häuser sind verschont geblieben. In ihnen wohnen 5 Familien: eine hat sich eine notdürftige Hütte aufgebaut, drei wohnen bei polnischen Bauern, denen ja jetzt die Mehrzahl der “Nummern” von Steinau gehört. Im Ganzen sind von den 52 “Nummern” 39 niedergebrannt, davon nur 6 deutsche. Einst war Steinau ein rein deutsches Dorf. Ob das Brandunglück dem deutschen Steinau den Todesstoß versetzt hat? Wir haben lange beraten. Eine Schule, die zugleich als Betsaal dienen könnte, wollen die Leute auf jeden Fall bauen, vielleicht von den Ziegeln der Kirche. Ein ergreifender Gottesdienst in derselben großen Stube. Wir trösten uns an Jesaia 12, 1 u. 2. Zu derselbigen Zeit wirst du sagen: Ich danke dir, Herr, dass du zornig bist gewesen über mich, und Dein Zorn sich gewendet hat und tröstest mich. Siehe, Gott ist mein Heil, ich bin sicher und fürchte mich nicht; denn Gott der Herr ist meine Stärke und mein Psalm, und ist mein Heil. Paul Gerhardts Glaubenslied: “Ist Gott für mich, so trete gleich alles wieder mich”, singen wir nach der Ansprache und dem Gebet. Ein weißköpfiger Greis, einige Männer, ein paar Frauen verschiedenen Alters, ein Dutzend Kinder: das ist fast ganz Deutschsteinau. Eine junge Frau ist tagszuvor von einer Kuh aufgeschlitzt worden. Ihr Vater hat sie nach Krakau auf die Klinik gebracht. Ihr Mann ist in Russland als Kriegsgefangener aus Przemysl, ihr Haus ist ein Schutthaufen, ihre vier kleinen Kinder sind nun ganz allein. Was doch Einzelne in dieser Kriegerzeit ertragen müssen. Einzelne Menschen und einzelne Dörfer…
[Czerwenzel]
Steinau 1915
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Letter and Donation from the Gustav Adolf Association
Source: Evangelisches Gemeindeblatt für Galizien und die Bukowina, 01.12.1915, p. 14.
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In welch rührender Weise der Zentralvorstand der Gustav Adolf Stiftung in Leipzig sich der kriegsgeschädigten evangelischen Gemeinden annimmt, beweist folgendes Schreiben an die abgebrannte Gemeinde Steinau (Pfarrsprenzel Ranischau):
“…Wir empfingen Ihr gefälliges Schreiben vom 31. vor 19. diesen Monats, in dem Sie uns die Ankündigung unserer vorjährigen Spende im Betrag von 100 Mark seitens des Wiener Hauptvereins mitteilen, und haben uns herzlich gefreut, von Ihnen ein Lebenszeichen zu erhalten, nachdem wir bisher von anderer Seite gehört hatten, dass die Schrecknisse des Krieges über Ihre teuere Gemeinde in verheerender Weise hereingebrochen seien, indem neben einer großen Anzahl von Häusern auch ihre Kirche und Schule ein Opfer des Feuers geworden sind, anderer großen Schäden und Verluste nicht zu gedenken. Wir sprechen Ihnen unsere aufrichtige glanbensbrüderliche Teilnahme an allen furchtbaren Erlebnissen aus, und indem wir der Hoffnung Ansdruck geben, daß Sie nicht verzagen, sondern voll Zuversicht der Zukunft ins Gesicht blicken werden, dürfen wir Ihnen versichern, dass wir Sie nicht verlassen werden, sondern im Maße unserer Mittel mit Freudigkeit werden aufbauen helfen, was zerstört wurde.
Als Ausdruck unserer Teilnahme fügen wir hier aus den Mitteln unserer Zentralkasse den Betrag von 500 Kronen bei, den Sie für laufende Bedürfnisse verwenden wollen…”